Der Begriff „Superkompensation” ist den meisten Trainierenden bekannt. Doch was genau wird eigentlich unter Superkompensation verstanden? Und hat dieses Konzept überhaupt eine Daseinsberechtigung?
Was ist Superkompensation?
Nach einem gesetzten Trainingsreiz regeneriert der Körper die beanspruchten Muskeln, um diese zu reparieren. Dabei schießt er oft über das eigentliche Ausgangsniveau hinaus und regeneriert „zu viel“. Und genau das wird in den meisten Fällen unter Superkompensation verstanden: jene Phase, in der sich der Körper in dieser sogenannten überschießenden Wiederherstellung befindet.
Das ursprüngliche Verständnis von Superkompensation
Heutzutage wird dieses Konzept der Superkompensation auf viele Bereiche angewandt. Dabei wurde es ursprünglich nur in Zusammenhang mit einer erhöhten Energie-Speicherkapazität innerhalb von Muskeln und Leber assoziiert. Dies läuft nach dem heutigen Kenntnisstand wie folgt ab: Zu Beginn steht der Belastungsreiz im Zuge des Trainings. Danach folgt eine Phase, in der die Energiereserven abnehmen. Diese Abnahme möchte der Körper anschließend kompensieren, woraufhin die Energiereserven während der Regeneration nach dem Training wieder ansteigen. Dabei schießt der Körper übers Ziel hinaus und erreicht die Phase der maximalen Energiespeicherung – was die Phase eben dieser Superkompensation meint. Erfolgt an dieser Stelle kein neuer Trainingsreiz, wird das Ausgangsniveau wieder erreicht. Setzt man sich allerdings während der Superkompensation einer erneuten Belastung aus, könnte daraus eine Steigerung der Leistungsfähigkeit resultieren.
Das heutige Verständnis von Superkompensation
So viel also dazu, was ursprünglich unter dem Begriff Superkompensation verstanden wurde. Doch heute scheint dieses Spektrum deutlich größer geworden zu sein: von Verbesserungen in Bezug auf nervale Steuerungsprozesse bis hin zu Verbesserungen in Bezug auf die eigene Dehnfähigkeit ist hier vieles mit dabei. Häufig scheint es sogar so, als würde der Begriff als Synonym für „Verbesserung“ in den unterschiedlichsten Bereichen angesehen werden.
Kritikpunkte
Doch auch, wenn definitiv vom selben Sachverhalt die Rede ist: das Konzept der Superkompensation muss einiges an Kritik einstecken. Bemängelt wird dabei nicht nur die fehlende Komplexität, welche körperlichen Anpassungsprozessen nicht gerecht werden würde, sondern auch, dass Alter und Geschlecht genauso wenig berücksichtigt werden, wie das Trainingsniveau der Sportler. Auch seien die im Modell suggerierten endlosen Anpassungsmöglichkeiten keine realistische Vorstellung.
Was bedeutet das für die Trainingsgestaltung?
Es scheint so, als würden viele über Superkompensation sprechen und nur die wenigsten dabei an dasselbe Phänomen denken. Und genau hier scheint auch der Punkt zu sein, an dem sich die Experten uneinig werden: Gibt es Superkompensation nun, oder nicht? Es überrascht nicht, dass man hierzu sehr kontroverse Ansichten findet. Zumindest, wenn man bedenkt, auf wie viele unterschiedliche körperliche Anpassungsprozesse sich dieser eine Begriff im Alltagsgebrauch beziehen kann. Wie in vielen Bereichen im Leben ist es also wichtig, nicht blind darauf zu vertrauen, dass durch die Verwendung desselben Begriffs auch tatsächlich dieselben Sachverhalte gemeint sind.
Auch wenn sich die Experten uneinig sind, in einem Punkt scheint Einigkeit zu herrschen: Regeneration und Erholung sind wichtig. Erstens, weil Muskeln im Ruhezustand und nicht während der Belastung wachsen. Und zweitens, weil zu häufiges Training möglicherweise in Übertraining resultiert, was nicht nur zu Verletzungen, sondern auch zu einer abfallenden Leistungsfähigkeit führen kann.