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Regenerations-Dauer von Muskeln: Und was, wenn’s gar nicht stimmt?

Das Konzept des regenerationsbasierten Aufbau-Trainings beruht auf der Empfehlung, jede hart trainierte Muskel-Partie ausreichend lange regenerieren zu lassen, bevor der nächste Trainings-Impuls stattfindet. Und auch auf der Annahme, dass unterschiedliche Muskeln unterschiedlich viel Zeit dafür benötigen. Was aber, wenn diese Annahme gar nicht stimmt?

Die Grund-Idee: Zuerst reparieren, dann aufbauen

Inzwischen hat sich herumgesprochen: Hartes und intensives Aufbau-Training verursacht kleinste Risse in den Muskel-Fasern. Erst nach dem Training kann der Körper mit der Reparatur dieser Schäden beginnen. Und nach der nötigen Reparatur geht es darum, den Körper für derartige Belastungen besser zu rüsten: Nach der Regeneration beginnt der Aufbau an Kraft und Muskelmasse. Während diese Vorgänge ablaufen, sollte man den betroffenen Muskel jedenfalls noch schonen – ein zu frühes Training könnte den gerade ablaufenden und erwünschten Aufbau-Prozess stören oder sogar stoppen.

Nicht unbedingt zu spüren

Wann aber ist der zuvor trainierte Muskel wieder bereit, ein nächstes Mal trainiert zu werden? Das ist nicht einfach zu beantworten. Das Problem: Man kann es nicht spüren. Klar – dass man mit einem Muskelkater noch nicht wieder trainieren sollte, das wissen die meisten. Aber das Fehlen von Muskelkater bedeutet noch lange nicht, dass der Muskel bereits ausreichend erholt ist: Leider kann man nicht eindeutig wahrnehmen, ab wann die Regeneration und die nachfolgende Phase des Aufbaus wirklich abgeschlossen sind.

Pausieren: Zu lang, zu kurz?

Die Zeit nach der Regeneration, die von einem leicht gesteigerten Leistungs-Niveau geprägt ist, wird oft als Superkompensation bezeichnet: Der trainierte Muskel ist also ein kleines bisschen kräftiger oder massiger als zuvor.

Möchte man sein Training optimieren, so wird man versuchen, den nächsten Trainings-Reiz in eben dieser Phase der Superkompensation zu platzieren. Also: Man sollte den Muskel weder zu früh (solange die Regeneration bzw. Reparatur noch nicht abgeschlossen ist), noch zu spät (nachdem das gesteigerte Leistungs-Niveau der Superkompensation bereits wieder abgeklungen ist) wieder trainieren. Es geht also darum, mit passenden Übungen möglichst die Phase der Superkompensation zu treffen.

Unterschiedlich lange Erholungs-Dauer?

Gut, das wäre auch noch kein so großes Problem, wenn jeder Muskel des Körpers gleich lange für die Erholung benötigen würde. Allerdings wurde schon Anfang der Neunziger-Jahre von der International Sports Sciences Association (ISSA) eine Tabelle publiziert, die zeigt, dass unterschiedliche Muskeln verschieden lange Erholungszeiten beanspruchen – natürlich auch abhängig von der Intensität der vorherigen Trainings. Diese Dauer beträgt von 1 Tag (Unterarm, geringe Intensität) bis zu 5 Tagen (unterer Rücken, hohe Intensität) – eine ziemlich große Bandbreite also.

Interessant ist zum einen die Tatsache, dass sich diese und ähnliche Tabellen nach wie vor in aktuellen Unterlagen zur Trainer-Ausbildung finden. Und andererseits die Tatsache, dass diese Erkenntnisse extrem selten in die konkrete Trainings-Planung einzufließen scheinen. Was aber irgendwie auch verständlich ist: Denn je nach zuvor trainierten Übungen und deren Verteilung der Arbeits-Last auf die unterschiedlichen Muskeln benötigt die Erholung auch noch unterschiedlich lange. Das Thema wird also sehr schnell ziemlich komplex und unübersichtlich.

Aber was, wenn das alles gar nicht stimmt?

Allerdings: Eine Theorie mag noch so einleuchtend klingen, aber sie kann dennoch falsch sein. Und wer möchte schon auf einen Ansatz hereinfallen, der in der Praxis nicht funktioniert?

Gut, dann denken wir doch mal darüber nach, auf welche Weise wir uns diesem Ansatz nähern könnten. Hilfreich erscheint die folgende Überlegung: Was passiert im schlimmsten Fall, wenn wir nach dieser Theorie trainieren, sie aber nicht ganz richtig ist?

In diesem Fall ist ein abwechslungsreiches Training zu erwarten, da ja die Belastungs-Situation der Muskeln immer wieder anders ist. Und immer neue Kombinationen der gerade wieder „reifen” Muskeln führen vermutlich zur Aufnahme neuer Übungen ins Trainings-Programm. Das Ergebnis: Ein hohes Maß an Flexibilität in der Trainings-Planung.

Und ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Gewöhnung an regelmäßiges Training, das Freude macht: Immer anders, immer neu – aber immer auf Basis der eigenen Situation. Das regenerationsbasierte Aufbau-Training kennt eben nur einen einzigen Maßstab: Das bisherige Training des Anwenders, denn dadurch entsteht die Grundlage dessen, was wann als nächstes trainiert werden sollte.

Es gibt viel zu gewinnen – und so gut wie nichts zu verlieren

Es ist relativ klar zu erkennen: Dieser Ansatz bietet einige wesentliche Vorteile, ohne den Trainierenden mit besonderen Risiken zu konfrontieren. Die Erkundung dieses neuen Weges scheint also ein spannendes Experiment ohne ernstzunehmende Gefahren zu sein. Es ist daher naheliegend, das Konzept des regenerationsbasierten Aufbau-Trainings selbst ausführlich zu testen – und zu überprüfen, ob dieser neue Ansatz für den Erfolg des eigenen Trainings entscheidend sein könnte.

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